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Am Ende der Straße mit den farbenfrohen Häusern geht das Wohngebiet in ein kleines Industriegebiet über. Links und rechts ziehen sich graue, einstöckige Gebäude mit fast durchgehend gläsernen Fronten entlang. Kaum in der Empfangshalle der Südpfalzwerkstatt gGmbH eingetroffen, kommt ein junger Mann, um die 30 Jahre vielleicht, lächelnd den Gang herauf. Er grüßt herzlich und interessiert sich ehrlich für das Wohlbefinden seines Gegenübers. Wir kommen sofort ins Gespräch: Er erzählt von seiner Schulzeit und davon, wie der Lehrer ihn aus Versehen einmal im Klassenzimmer einsperrte, doch – glücklicherweise – der Direktor noch ihm Haus war und ihn schließlich befreite. „Stell dir vor, wenn der nicht mehr da gewesen wäre, der Direktor“, sagt der junge Mann und kriegt sich vor Lachen kaum noch ein.

Draußen kriecht die Kälte eines Wintertags unter jeden Mantel, diese erste Begegnung drinnen aber ist warm und freundlich. Zunächst erscheint die Südpfalzwerkstatt wie ein typisch deutsches, mittelständisches Unternehmen. Wie in jedem anderen Betrieb sind Arbeiter am Werk. Einziger Unterschied: Hier sind es Menschen mit Behinderung. Zwei große Produkt- und Dienstleistungsbereiche gibt es am Standort Offenbach an der Queich. Zum einen werden Metallarbeiten sowie Verpackungs- und Montagetätigkeiten für Industrie und Handwerk durchgeführt. Zum anderen kommt das Autozubehör der Marke „max4car“ von hier; eine Eigenmarke der Südpfalzwerkstatt.

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Im Sinne einer Solidargemeinschaft

Heribert Boltz ist „max4car“-Bereichsleiter. Seit über 30 Jahren ist der Maschinenbaumeister mit der sonderpädagogischen Zusatzausbildung in der Südpfalzwerkstatt tätig. Er ist es, der uns, kurz nach der ersten freundlichen Begegnung mit dem jungen Mitarbeiter, einen schmalen Gang entlangführt. In großen Regalen liegen Eiskratzer und Schneebesen in bunten Farben. „Wir gehen immer auch mit aktuellen Farbtrends“, sagt Boltz. Er lächelt und drückt mir einen hellblauen Eiskratzer in die Hand.

Die Südpfalzwerkstatt wurde 1974 von Eltern gegründet, die für ihre Kinder mit Behinderung einen geregelten Tagesablauf suchten. Lohn gab es damals, im Gegensatz zu heute, noch keinen, aber erste Kontakte zu Unternehmen aus der Region – und das Modell wurde spätestens in den Neunzigerjahren zum Erfolgsmodell. Die Südpfalzwerkstatt wuchs und die Zahl der Mitarbeiter nahm stetig zu. Mittlerweile sind es an drei Standorten über 800 Menschen mit Behinderung, hinzu kommen noch mehr als 200 Betreuerinnen und Betreuer sowie Angestellte in der Verwaltung. Die Kosten für das Betreuungspersonal, den Fahrdienst und das Essen bis hin zur Heizung trägt die öffentliche Hand, die Löhne für die Arbeitskräfte mit Behinderung trägt die Südpfalzwerkstatt; ebenso wie die Personalkosten sogenannter Sonderstellen, die nicht für die Betreuung vorgesehen sind, etwa im Marketing und in der Logistik.

Das Unternehmen müsse Gewinne für die Beschäftigten erwirtschaften, organisiert sei die Südpfalzwerkstatt dennoch im Sinne einer Solidargemeinschaft, erklärt Boltz: „Unser gesetzlicher Auftrag lautet, unterschiedliche Arbeiten für unterschiedlich begabte und befähigte Mitarbeiter anzubieten. Von einfachen Zureiche-Tätigkeiten bis hin zu komplexen Drehfräse-Arbeiten. Wir haben einen Topf, an dem alle partizipieren“, sagt er. Der Eiskratzer „2K, Blau“ kostet bei HORNBACH 2,49 Euro, der Eiskratzer „M, Blau“ mit integriertem Schneebesen 6,49 Euro. Die Eigenmarke „max4car“ hat am Umsatz der Südpfalzwerkstatt heute den größten Anteil.

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Upcycling: Ein moderner Gedanke

Gut 45 Autominuten südöstlich von Offenbach an der Queich hat die „Lebenshilfe Bruchsal-Bretten“ ihren Sitz. Der Verein, gegründet 1963, bietet heute über 800 erwachsenen Menschen mit Behinderung unter anderem Arbeitsplätze in Produktion und Dienstleistung. In jüngster Vergangenheit hat sich dort ein Produkt etabliert, das einem sehr modernen Gedanken folgt: dem Upcycling. Ein nicht mehr gebrauchter oder gewollter Gegenstand, so der Grundgedanke, soll durch Kreativität in etwas Neues, Brauchbares und Einzigartiges verwandelt werden. Eine Idee, die dank Menschen wie Christian Tschürtz im Trend liegt.

Der gelernte Grafiker macht Flyer, Webseiten und Werbebanner, arbeitet mittlerweile aber auch für die Lebenshilfe. Denn dort werden unter anderem Taschen seiner Marke „Comebags“ produziert, was, wie Tschürtz sagt, auf eine „Schnapsidee“ zurückgeht: Im Jahr 2012 unterhielt sich Tschürtz mit einem Freund über Werbebanner und darüber, dass sie aufwendig entworfen und hergestellt würden, nur um nach zwei Wochen wieder im Müll zu landen. „Ich suchte im Internet, ob es Firmen gibt, die aus meinen Werbebannern für mich Taschen herstellen und habe keine gefunden“, erinnert sich Tschürtz. „Die Idee von Recycling-Taschen ist nicht neu, man kann sie im Internet zuhauf kaufen – aber eine Firma, die nur das Upcycling anbietet und die fertigen Taschen an den Auftraggeber zurücksendet, gab es noch nicht.“ Ein halbes Jahr sei er dann mit dieser Idee „schwanger gegangen“, bis ein Bekannter aus der Textilbranche von der Bruchsaler Einrichtung erzählte.

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Etwas Überzeugungsarbeit später erblickte die erste „Comebags“-Tasche dort das Licht der Welt. „Mit vielleicht 100 Taschen im Monat habe ich gerechnet. Heute sind es bereits rund 1500. Und es könnten noch mehr sein“, erzählt Tschürtz, dessen Rolle sich mit der eines Handelsvertreters und Kundenberaters für die „Comebags“-Taschen vergleichen lässt. Zu den „Comebags“-Kunden gehören namhafte Unternehmen unterschiedlicher Branchen, aber auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat sich schon mit „Comebags“-Taschen ausrüsten lassen. Für HORNBACH produziert die Lebenshilfe Bruchsal-Bretten seit 2013 Pressemappen und Umhängetaschen, die neue HORNBACH-Mitarbeiter als Willkommensgeschenk erhalten. In den Bau- und Gartenmärkten gibt es sie nur in Ausnahmefällen zu kaufen.

Allein 40 bis 50 Mitarbeiter arbeiten bei der Lebenshilfe mittlerweile für „Comebags“. Das Sortiment beschränkt sich längst nicht mehr nur auf Umhängetaschen; auch Schürzen oder Tablet-Hüllen sind Teil des Portfolios. Für die Zukunft – und da unterscheidet sich der Ansatz doch sehr vom gewöhnlichen Mittelstand – will Tschürtz dafür sorgen, dass „Comebags“ nicht zu erfolgreich wird. „Wir wollen uns nicht übernehmen“, sagt Tschürtz zur Erklärung. „Aus der ersten vagen Idee ist ein großes Projekt geworden, von dem alle profitieren. Und das soll auch so bleiben. Denn schöner geht es doch kaum.“

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„Nicht nur ‚Bio‘ ist nachhaltig“

Auch in Offenbach an der Queich macht man sich Gedanken über die Zukunft. Die größte Herausforderung für „max4car“ sei es, so Bereichsleiter Boltz, dauerhaft zu bestehen. Schließlich konkurriere man mit gewerblichen Anbietern ebenso wie mit Importware aus Fernost. „Wir stehen im totalen Wettbewerb“, sagt Boltz. „Der soziale Gedanke allein reicht da nicht als Argument. Auch Qualität, Preis und Liefertreue müssen stimmen“, erklärt er – und legt noch nach: Bei „max4car“ werde regional gefertigt, wodurch lange und teure Frachtwege vermieden würden. Außerdem könne man auf eine starke, punktuelle Nachfrage reagieren, etwa bei Wintereinbruch. „Unsere Produkte sind Qualitätsprodukte mit langer Haltbarkeit und entsprechender Nutzungsdauer. Nicht nur ‚Bio‘ ist nachhaltig“, hält Boltz fest.

Der „max4car“-Bereichsleiter führt zum Abschied in einen weiteren Teil des Gebäudes. Überall stehen Kartons und Paletten, in einem quadratischen Raum mit Glasfront hängt ein Schild an der Wand, auf dem „Das alles machen wir“ steht. Darunter hängen bunte Produkte von „max4car“ wie eine Collage. An der Hälfte der gut zwei Dutzend Arbeitsplätze samt Maschinen wird eifrig gebaut und gesteckt. Es sieht aus, wie es in der Werkstatt jedes typisch deutschen, mittelständischen Unternehmens aussieht. Als wir den Raum betreten, ist der Empfang aber wärmer und freundlicher als anderswo. Und der Abschied auch.

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