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Airbus, Philip Morris, Rio Tinto, Walmart – diese Unternehmen haben eines gemeinsam: Sie stehen auf der Ausschlussliste des Staatlichen Pensionsfonds Norwegens, einem der größten Aktionäre weltweit. Die Norweger weigern sich, ihr Geld in Unternehmen anzulegen, die Nuklearwaffen oder Tabak produzieren, die Umwelt zerstören oder bei Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen nicht so genau hinsehen.

Sie sind nicht die einzigen. Immer mehr Vermögensverwalter und Fondsmanager beziehen ökologische und sozialgesellschaftliche Aspekte sowie die Art der Unternehmensführung bei der Auswahl von Aktien mit ein. Was früher eine Spezialität von Stiftungen, Kirchen und karitativen Einrichtungen war, ist heute Mainstream.

Die Ursachen sind vielfältig. Zum einen zeigen immer mehr Studien, dass sich das Investmentrisiko reduziert, wenn ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) berücksichtigt werden. Zum anderen fragen institutionelle und private Investoren immer häufiger Finanzprodukte nach, die mit ihren Werten und Überzeugungen übereinstimmen. Als Katalysator wirkt vor allem in Europa eine immer strengere Regulierung, die sowohl von Unternehmen als auch von Investoren mehr Transparenz in Bezug auf ESG-Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit bzw. Anlagepolitik verlangt. Dazu gehört unter anderem die europaweit gültige Pflicht für Unternehmen, eine sogenannte „nichtfinanzielle Erklärung“ zu veröffentlichen, die auch bei HORNBACH Teil des Geschäftsberichts ist.

Inzwischen gibt es zahlreiche ESG-Rating-Agenturen wie Sustainalytics, MSCI ESG Research oder ISS-oekom, die diese Daten auswerten und versuchen, die Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen neutral zu bewerten und vergleichbar zu machen – bisher mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Die meisten Investoren verlassen sich daher nicht allein auf die Beurteilung der Ratingagenturen, sondern legen ihre eigenen Maßstäbe an (siehe Interview). Eine Studie des European Sustainable Investment Forums zeigt, dass der Ausschluss von Unternehmen mit kontroversen Geschäftsmodellen die mit Abstand beliebteste Strategie ist. Immer häufiger werden jedoch ESG-Kriterien explizit in die traditionelle Finanzanalyse einbezogen oder es werden Unternehmen ausgewählt, die innerhalb ihrer Branche besonders gut abschneiden.

Die Global Sustainable Investment Association (GSIA) schätzt, dass mittlerweile rund 30 Prozent des weltweit verwalteten Vermögens unter Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien angelegt wird – mit stark steigender Tendenz.

Die Shareholder Value Management AG (SVM) verantwortet die Investmentstrategie des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, der bereits seit vielen Jahren Aktien der HORNBACH Holding AG & Co. KGaA hält. Portfolio-Manager Ronny Ruchay erläutert, welche Rolle ESG bei der Auswahl von geeigneten Unternehmen spielt.

R Ruchay 2

Wann hat SVM angefangen ESG-Kriterien in die Aktienanalyse einzubeziehen und warum?

Der Gedanke, Kapital nicht nur renditeorientiert, sondern auch verantwortungsvoll anzulegen, war seit der Gründung Teil unserer Investmentphilosophie. Im Laufe der Zeit wuchs die Notwendigkeit, die Anlagekriterien und die dahinter stehenden Prozesse zu strukturieren. In Anlehnung an den „Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage der Evangelischen Kirche in Deutschland“ hat die Shareholder Value Management AG 2013 gemeinsam mit dem Research-Anbieter Sustainalytics zunächst einen Katalog von Ausschlusskriterien für den Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen entwickelt, um den speziellen Zielgruppen des Fonds gerecht zu werden und das Risikomanagement zu optimieren. Dieser Katalog gilt heute für alle Fonds, die wir beraten.

Wie geht SVM bei der Analyse von Unternehmen vor?

Zunächst prüft Sustainalytics bei allen potenziellen Investments, ob die jeweiligen Geschäftsmodelle mit unseren Kriterien kollidieren. Problematisch sind für uns Hersteller von Tabakwaren, Glücksspiel, Pornographie, Kernenergie, Rüstungsgütern und Waffen sowie von starken alkoholischen Getränken. Einige Unternehmen sind damit von vornherein ausgeschlossen. Bei den übrigen beginnt dann unsere hausinterne Detailanalyse.

Das heißt, Sie verlassen sich nicht allein auf die Daten von Sustainalytics?

Die Vorauswahl ist sehr wichtig, aber dann geht es um die unternehmensspezifischen Details. Hier können potenzielle ökonomische Risiken lauern, die in der Voranalyse nicht abgedeckt werden: Wie ist der Umgang mit den Mitarbeitern? Gibt es Hinweise auf unlautere Geschäftspraktiken? Manchmal hilft schon der gesunde Menschenverstand. Die Unterschreitung einer gewissen Preisuntergrenze für Produkte signalisiert beispielsweise, dass das Geschäftsmodell nicht wirtschaftlich nachhaltig sein kann. Bei der Analyse orientieren wir uns auch an den zehn Prinzipien des „UN Global Compact“, die Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen sowie Umweltverschmutzung und Korruption verhindern sollen.

Wie konsequent setzen Sie die Kriterien um?

Für uns zählt die Verhältnismäßigkeit: Machen die kontroversen Geschäftsfelder weniger als zehn Prozent des Umsatzes eines Unternehmens aus, sehen wir von einem Investitionsverbot ab. Das gilt allerdings nicht für völkerrechtlich geächtete Waffen wie Landminen oder Streubomben, hier gilt das Investitionsverbot absolut und unabhängig vom Umsatzanteil.

Gibt es Ausschlusskriterien, über die man sich streiten könnte?

Für unseren Kriterienkatalog stand der Leitfaden der evangelischen Kirche Pate, wobei es bei unserem Katalog zwei Unterschiede gibt. Zum einen investieren wir nicht in Kernenergie. Die evangelischen Kirchen schließen das nicht aus. Auf der anderen Seite haben wir eine andere Meinung zum Thema gentechnisch verändertes Saatgut. Mit Blick auf die Ernährungsproblematik in vielen Teilen der Welt halten wir eine Investition, und damit eine Unterstützung entsprechender Unternehmen, für legitim und notwendig.

Welche ESG-Faktoren halten Sie bei Hornbach für relevant?

Da ist zunächst das „G“ für Governance, die Unternehmensführung: Hornbach ist ein Familienunternehmen, das aus zwei börsennotierten Gesellschaften besteht. Die Familie Hornbach hat als Ankeraktionär einen entscheidenden Einfluss auf die operative und strategische Führung dieser Gesellschaften. Für Investoren von außen, die sich faktisch stets in der Minderheit befinden, ist es deshalb sehr wichtig, dass Entscheidungen zum Wohle aller Aktionäre getroffen werden. Das kann im Einzelfall zu Konflikten führen.

Auch bei HORNBACH?

Ich glaube, es gibt im Eigentümerkreis ein großes Interesse, ein starkes Unternehmen an die nächste Generation weiterzugeben. Entsprechend verfolgt das Management mit der Zustimmung des Aufsichtsrats – entscheidend bestimmt durch Personen aus der Familie Hornbach – eine langfristige Strategie. Man ist bereit, für eine gewisse Zeit Belastungen des Gewinns in Kauf zu nehmen, um das Unternehmen für die nächsten Jahre und Jahrzehnte fit zu machen.

Ist HORNBACH strategisch auf dem richtigen Weg?

HORNBACH investiert sehr viel Geld in den Aufbau des Onlinegeschäfts, oder besser gesagt in Interconnected Retail. Um langfristig im harten Wettbewerb bestehen zu können, ist das notwendig und richtig und durchaus im Sinne langfristig agierender Value-Investoren, zu denen wir uns zählen. HORNBACH gehört in Sachen Multi-Channel unserer Einschätzung nach zu den am besten aufgestellten Baumärkten in Deutschland und ist sicherlich führend in Europa. Aktuell glauben wir allerdings, dass HORNBACH bei den Ausgaben für die Digitalisierung des Geschäftsmodells über das Ziel hinausgeschossen ist. Außerdem fragen wir uns, wie sich das mit den hohen Investitionen in Einzelhandelsimmobilien verträgt, deren Werthaltigkeit durch E-Commerce infrage gestellt wird. Diese Themen diskutieren wir offen und mit der gebotenen Intensität mit dem Management und verhehlen auch nicht unseren Wunsch nach einer vereinfachten Unternehmensstruktur. Dabei verstehen wir uns als langfristiger Partner und dienen dem Management und implizit der Familie Hornbach als Sparringspartner. Trotz langfristiger „Denke“ wollen und müssen wir unseren Investoren gerecht werden, indem wir bei jedem verdienten Euro – der auch unseren Investoren gehört – kritisch prüfen, ob er auch wertschaffend reinvestiert wurde. Die Themen Nachhaltigkeit und Governance sind damit eng verknüpft.

Welche Aspekte spielen noch eine Rolle?

Die Qualität der Lieferkette ist ebenfalls ein Thema. Hornbach bezieht für seine Eigenmarken unter anderem Produkte von einer Tochter mit Sitz in Asien. Da der Anteil der Eigenmarken am Umsatz mehr als 20 Prozent ausmacht, ist es für die Reputation wichtig, dass die Produktqualität stimmt und das Produktversprechen vom „besten Preis-Leistungsverhältnis im Markt“ eingehalten wird. Die Einhaltung von Umweltstandards und fairen Arbeitsbedingungen bei den Lieferanten spielt nicht nur aus Kundensicht eine Rolle und ist ein wichtiger Teil des Produktversprechens.

Und nicht zuletzt ist die Mitarbeiterführung ein Thema. Hornbach spricht stark ein professionelles Publikum an und lebt deshalb von der Kompetenz seiner Mitarbeiter, von denen viele selbst früher Handwerker waren. Eine gute Mitarbeiterführung und -bindung ist entsprechend wichtig.

Wie beurteilen Sie die Informationslage in Bezug auf ESG? Hat die gesetzliche Verpflichtung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (Nichtfinanzielle Erklärung) für mehr Transparenz gesorgt?

Das hängt letztendlich von den Unternehmen ab. Vorbildlich geführte Unternehmen wie Hornbach sind sehr transparent. Eine erweiterte Berichterstattung wäre hier eigentlich nicht notwendig, zumal Themen wie Mitarbeiterführung und -entwicklung aus den oben genannten Gründen für uns eher in den Geschäftsbericht gehören. Aber es gibt auch andere Unternehmen, bei denen die gesetzliche Transparenzverpflichtung eine Verbesserung ist und hilft, nachlässige Unternehmen aus der Reserve zu locken. Für uns als Investoren spielt das aber weniger eine Rolle, denn wir konzentrieren uns auf die gut geführten Unternehmen.

Wie oft sprechen Sie ESG-Themen in Diskussionen mit Unternehmen an und in welchen Fällen?

Der Vorfilter von Sustainalytics führt dazu, dass wir viele potenziell kritische Themen aus den Bereichen „Environmental“ und „Social“ vorab herausfiltern, insofern gibt es hier in der Praxis weniger Diskussionsbedarf. Anders verhält es sich bei den „Governance“-Themen. Die Fragen, wie ein Unternehmen geführt wird, wie die Eigentümerstruktur aussieht und ob das Management „Skin in the Game“ hat, also selbst substanziell am Unternehmen beteiligt ist, lassen sich über die Filter nicht klären. Hier sind Gespräche mit dem Management notwendig, die in Einzelfällen auch kontrovers geführt werden können.

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