Lange war das Kräfteverhältnis zwischen Menschen und Natur klar: Die Natur war stärker und scheinbar unbezwingbar. So kam es einer Sensation gleich, als Roald Amundsen im Jahr 1911 als erster Mensch den eisigen Südpol erreichte. 1953 setzten Tenzing Norgay und Edmund Hillary mit der Besteigung des Mount Everest einen weiteren Meilenstein in der Menschheitsgeschichte. Jacques Piccard und Don Walsh drangen 1960 in bis dahin unbekannte Dimensionen vor, als sie in den über 10.000 Meter tiefen Marianengraben eintauchten. Als gefeierte Helden gelang es ihnen, bis dato unüberwindbare Grenzen zu überschreiten.
Nach und nach hat sich das ursprüngliche Verhältnis zwischen Mensch und Natur gewandelt: Der Mensch macht sich die Natur und ihre Ressourcen zunutze. Die Folgen unserer Lebensweise werden jedoch mittlerweile schmerzhaft deutlich: Regenwald wird gerodet, immer mehr Tierarten verschwinden, Plastik schwimmt in den Meeren. Die Zeichen stehen auf Alarm. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Erde als lebenswerten Planeten zu bewahren – sie nicht länger zu bezwingen, sondern zu beschützen.
Eine Frage der Verantwortung
Im Sommer 2021 legte das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) des Weltklimarates einen viel beachteten und beunruhigenden Bericht vor. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus über 60 Ländern lieferten den Nachweis, dass der seit dem Beginn der Industrialisierung einsetzende Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Und dass einige der Folgen wie steigende Meeresspiegel und schmelzende Gletscher unumkehrbar sind. Wenn wir unsere Lebensweise nicht gravierend ändern, darin sind sich die Experten einig, wird es nicht gelingen, das angestrebte Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Der menschengemachte Klimawandel stellt uns vor die Entscheidung, wie wir mit seinen Folgen umgehen und welche Verantwortung wir tragen.
Aus philosophischer Sicht setzt an diesem Punkt die Umweltethik an. Sie geht der Frage nach, welchen Lebewesen oder Gegenständen wir als Mensch einen eigenen Wert zumessen. Wichtig ist das Motiv: Schätzen wir Tiere und Natur aus egoistischen Gründen wert oder weil wir moralische Verantwortung tragen? Hier existieren sehr unterschiedliche Vorstellungen – von der Annahme, dass Dinge nur dann einen Wert haben, wenn sie dem Menschen nützlich sind, bis hin zum Standpunkt, dass der Mensch für die gesamte Natur Verantwortung trägt. Recht schnell wird deutlich: Allgemeingültige Antworten lassen sich auf dieser Ebene nicht finden.
Reality-Check
Was passiert, wenn man Meinung und Ethik ausklammert und durch die Brille unserer Lebensrealität auf das Thema Umweltschutz blickt? Wir leben in einer kapitalistischen Konsumgesellschaft. Der Markt regelt alles, oder? Im Vergleich zum amerikanischen Wirtschaftsverständnis muss diese Aussage etwas eingeschränkt werden. Wir haben festgestellt, dass einige Menschen in diesem System untergehen, und haben unsere Marktwirtschaft „sozial“ gemacht – wir fühlen uns als Menschen also verantwortlich für andere Menschen. Auswirkungen auf die Umwelt wurden bei wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen dagegen lange höchstens zur Kenntnis genommen.
Mittlerweile verfolgen die meisten Unternehmen auch eine Nachhaltigkeitsstrategie, die den Schutz der Umwelt im Sinne der kommenden Generationen einschließt. Doch hier stellt sich die Frage nach dem Motiv. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2021 sind die wesentlichen Treiber der Nachhaltigkeitsbestrebungen in der Wirtschaft vor allem externe Faktoren wie Investoren oder die Politik. Dementsprechend scheint es an manchen Stellen auch sinnvoll, weiterhin Impulse von außen zu setzen.
Politik als treibende Kraft einer nachhaltigen Wirtschaft?
Wie also kann die Wirtschaft nachhaltiger werden? Neben den substanziellen Nachhaltigkeitsbestrebungen, die es in den Unternehmen gibt, kommt auch der Gesetzgebung eine wichtige Rolle zu. Kein Wunder, dass in nahezu jedem Parteiprogramm Nachhaltigkeit ein Thema ist. Dabei stehen zwei grundsätzliche Ansätze im Raum: die Subventionierung wünschenswerten Verhaltens und die Regulierung von unerwünschtem Verhalten. Doch wie reagieren Unternehmen auf diese Vorgaben? Subventionen können grundsätzlich Wirkung zeigen, jedoch müssen die so angestoßenen Veränderungen auf Dauer mindestens genauso wirtschaftlich sein wie die Ausgangslage. Nur weil beispielsweise eine bestimmte Technologie staatlich bezuschusst wird, kann es für ein Unternehmen trotzdem attraktiver sein, auf bereits bestehende und erprobte Technologien zu setzen.
Beschränkungen oder Verbote können ebenfalls wirken, jedoch führen sie häufig zu Unzufriedenheit der Regulierten, da sie als freiheitseinschränkend wahrgenommen werden. Auch können Verbote, die in der Zukunft liegen, zunächst einmal einen gegenteiligen Effekt zu ihrer ursprünglichen Intention haben.
Um Unternehmensentscheidungen hin zu mehr Nachhaltigkeit zu steuern, müssen gesellschaftliche und politische Nachhaltigkeitsziele zu attraktiven Unternehmenszielen werden.
Oftmals sind umweltfreundliche Alternativen mit höheren Kosten verbunden und stellen somit kurzfristig einen Wettbewerbsnachteil dar. Werden nachhaltige Prozesse, aus denen nachhaltige Produkte entstehen, jedoch zum Wettbewerbsvorteil, werden sie automatisch auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht unmittelbar erstrebenswert. Wenn Politik, Gesellschaft und Wirtschaft solidarisch und gemeinschaftlich miteinander an dieser Zielvorstellung arbeiten, können auch große Transformationsprozesse erfolgreich bewältigt werden.
Alle wissen Bescheid: Warum ist das Problem nicht gelöst?
Eine ressourcenschonende und nachhaltige Welt als gemeinsames Ziel – diese Ausgangslage stellt die Basis aller weiteren Entwicklungen dar. Nachdem das Verhältnis zur Umwelt nun aus historischer, philosophischer, politischer und wirtschaftlicher Sicht beleuchtet wurde, drängt sich eine Frage auf:
Wenn in beinahe allen Bereichen Einigkeit herrscht, dass die Folgen des Klimawandels nicht wünschenswert sind, warum fällt es dann so schwer, ihn aufzuhalten?
Die Antwort liegt zum Teil in der menschlichen Natur begründet. Menschen lassen sich auf Veränderung aus zwei Hauptmotiven ein: Pain oder Gain, also abzusehende Nachteile, wenn keine Veränderung stattfindet, oder ein damit verbundener Vorteil. Übersetzt heißt das: Die Auswirkungen des Klimawandels müssen persönlich spürbar werden oder die Vorteile, die mit einer nachhaltigen Lebensweise verbunden sind, müssen so attraktiv sein, dass wir dazu bereit sind, alte Verhaltensmuster aufzubrechen. Was auch immer uns letztlich motiviert: Jeder von uns – ob Unternehmen oder Individuum – muss und kann einen Beitrag leisten. Wenn sich dieser Appell durchsetzt und in unserem Handeln niederschlägt, können wir eine Erde erhalten, in der auch noch zukünftige Generationen polare Regionen besuchen, Berge erklimmen, Meerestiefen erforschen oder ganz einfach in Frieden leben können.