Jetzt oder nie: Sascha baut sich einen Pizzaofen
Klar, man kann sich seine Pizza auch vom Bringdienst liefern lassen. Unser Autor ist da doch etwas ehrgeiziger: Er will nicht nur selbst backen, sondern auch selbst bauen – und zwar einen echten Pizza-Lehmofen.
Im letzten Sommer habe ich noch improvisiert und die eine oder andere Pizza auf dem Grill gebacken. Funktionierte viel besser als gedacht, zumindest mit dem passenden Grill (in meinem Fall Holzkohle-Kugel, Gas geht auch), entsprechendem Zubehör (Pizzastein) und etwas Übung. Trotzdem, dieses Jahr soll alles anders, besser, professioneller werden: Ich will im Garten einen echten Pizzaofen aus Lehm bauen.
Ein Pizzaofen? Für die Mudgirls, die sonst ganze Lehmhäuser bauen, ist das eine Fingerübung.“
Sascha Borrée
So schwer kann das doch gar nicht sein. So einfach ist es allerdings auch nicht. Ich bitte deshalb eine Fachfrau um Unterstützung: Amber Cella gehört zu den Mudgirls, einem Ökobau-Kollektiv an der kanadischen Pazifikküste. Elf Frauen arbeiten bei diesem Bauunternehmen der etwas anderen Art; gemeinsam errichten sie ganze Häuser aus natürlichen Materialien, vor allem aus Lehm. Ein Pizza-Lehmofen? Für Amber und ihre drei Mudgirls-Kolleginnen, die heute mit anpacken wollen, ist das nicht mehr als eine Fingerübung.
1. Vorarbeit: ein stabiles Fundament anlegen
„Erstmal brauchen wir ein stabiles Fundament“, erklärt Amber. „Der Ofen wird ja locker ein paar Zentner schwer, ohne festen Halt sinkt er spätestens bei feuchtem Herbstwetter in den Boden ein.“ Bevor es mit dem Ofen selbst losgeht, hebe ich deshalb eine flache Grube aus. Quadratisch, die Seiten etwa 1,20 Meter lang, in die Tiefe geht’s rund 30 Zentimeter. Die Grube fülle ich mit Kies auf, den Kies trete ich mit meinen Schuhsohlen platt. Per Wasserwaage stelle ich schließlich sicher, dass mein Pizzaofen nachher nicht auf die schiefe Bahn kommt. Fertig! Dann kann ja jetzt der Sockel gemauert werden.
2. Stein auf Stein: Sockel mauern
Insgesamt fünf Lagen von Hohlbausteinen schichten wir übereinander. Das Innere der Steine fülle ich mit Kies, das Innere des so entstehenden Sockels mit noch mehr Steinen, noch mehr Kies. Darauf lege ich eine Schicht aus leeren Glasflaschen. „Sie sorgen für Isolierung, verhindern später, dass die Hitze im Ofen zu schnell abgeleitet wird“, erklärt Amber. Mit einer weiteren Kiesschicht bedecke ich schließlich auch die Flaschen. Wie schon bei der Bodenplatte kommt noch einmal die Wasserwaage zum Einsatz. Ich will es genau wissen: trage hier und da wieder ein paar Millimeter Kies ab, füge an anderer Stelle welchen hinzu. „Genug, genug. Wir bauen hier nur einen Pizzaofen, das ist doch keine Raketenwissenschaft“, sagt Amber lachend und nimmt mir schließlich die Wasserwaage weg. Schade.
3. Gewusst wie: der Hügel macht’s
Endlich, es ist soweit: Wir bauen den eigentlichen Außenofen. Mit einer Schicht feuerfester Ziegelsteine lege ich dessen Boden an. „Der Ofen selbst sieht nachher aus wie ein Iglu“, sagt Amber. „Aber um diese Form überhaupt hinzukriegen, müssen wir einen Trick anwenden.“ Wie der Trick funktioniert? Wir häufen auf dem Ziegelstein-Boden erst einen genau abgemessenen Kieshaufen an – doppelt so breit (80 Zentimeter) wie hoch (40 Zentimeter), auf allen Seiten möglichst gleichmäßig geformt. Entfernt erinnert er an einen riesigen Maulwurfshügel. „Den Ofen bauen wir jetzt sozusagen drum herum“, erklärt Amber. „Der Kies kommt später wieder weg, er dient nur als Platzhalter für den hohlen Backraum. Er verhindert, dass der feuchte Lehmbau einstürzt. Damit er sich am Ende gut vom Lehm lösen lässt, verkleiden wir ihn auch noch mit feuchtem Zeitungspapier.“
4. Schicht für Schicht: der Ofen-Iglu entsteht
Amber lässt mich nun unser eigentliches Baumaterial mixen – aus Wasser, Sand und Ton; letzterer lässt sich aber auch durch Lehmerde ersetzen. Auf einer groben Plastikplane treten wir das Gemisch so lange mit den Füßen, bis es schön geschmeidig wird, bringen es schließlich mit einer Maurerkelle etwa acht bis zehn Zentimeter dick auf dem Maulwurfshügel an. Fertig? Gut, dann folgt gleich eine zweite, nur aus angefeuchtetem Stroh bestehende Schicht. Wie die Glasflaschen soll das Stroh vor allem isolieren, also die Hitze im Ofen halten. Für die dritte Schicht mischen wir – wie schon bei der ersten – wieder Ton, Wasser, Sand, geben jetzt auch noch Strohhalme dazu. „Aus genau diesem Gemisch, Wellerlehm oder Cob genannt, bauen wir ganze Häuser“, erzählt Amber. „Die Strohhalme sind wichtig, ohne sie wirft das Mauerwerk nachher eher Risse. Nur bei der innersten Schicht eines Ofens müssen wir das Stroh weglassen, es würde ja sofort Feuer fangen.“ Noch einmal kommt jetzt die Maurerkelle zum Einsatz. Und dann heißt es: abwarten. Denn bevor es weitergehen kann, muss der Wellerlehm trocknen.
5. Ans Eingemachte: alles muss raus
Ziemlich stachelig wirkt unser Werk, als wir es nach einer Woche Trocknungszeit im Garten begutachten: Überall stehen Strohhalme ab. „Keine Bange, um die Igel-Optik kümmern wir uns später noch“, versichert Amber. Erstmal geht es aber ans Eingemachte. Mit der Säge schneide ich eine runde Öffnung vorne in den Ofen, mit der bloßen Hand schaufele ich dann den Kies raus, kratze schließlich letzte Reste von der Zeitungspapier-Schicht ab. „Das Papier kann drinnen bleiben, es verbrennt später einfach“, ist Ambers Tipp. Ein gähnender Schlund gibt jetzt den Blick auf das düstere Innenleben unseres Ofens frei – viel Raum für Feuer und Pizzen in Party-Größe. „Wir sind so gut wie fertig“, erklärt Amber. „Alles Weitere ist Kosmetik.“ Also: Feuer machen, Teig kneten, Pizza belegen und backen? Noch nicht, vorher erhält der Ofen seine Schönheits-Maske. Ich mische wieder Ton, Wasser, Sand und Stroh. Letzteres wird dieses Mal aber ganz klein geschnitten, mit dem so hergestellten Wellerlehm verputze ich dann den Ofen. Tschüß, stacheliger Igel-Look: Er verschwindet unter dem Putz. So sieht es doch schon viel besser aus. „In punkto Ästhetik geht natürlich noch viel mehr“, sagt Amber. „Du kannst noch eine weitere, feinere Putzschicht auftragen und sie mit Mustern verzieren. Auch der Sockel sieht bisher eher schlicht aus, da könntest du Mosaiken anbringen. Und ein einfaches Dach schützt den Ofen vor Regen, verlängert so seine Lebenszeit ganz erheblich.“
Verstanden, wird alles gemacht – später. Jetzt ist es aber erstmal höchste Zeit, meinen Hunger zu stillen. Aber wie genau funktioniert der frisch gebaute Steinbackofen denn eigentlich? Er hat ja nur einen einzigen Innenraum, ich kann mir das noch gar nicht richtig vorstellen. Flackert da ein offenes Feuer direkt neben der Pizza? Oder neben dem Brot? Denn als Brotbackofen können wir ihn natürlich auch nutzen. „Nein, zunächst lassen wir das Feuer lodern“, erklärt Amber. „So speichert der Ofen viel Hitze – die anschließend, wenn die Flammen erloschen sind, für stundenlanges Backen ausreicht.“
Wir müssen also auch noch vorglühen? Na, dann aber mal los! Bauarbeiten machen ganz schön hungrig, mein Magen knurrt inzwischen kräftig. Doch Amber hat eine schlechte Nachricht für mich, die lang ersehnte Pizzaofen-Premiere fällt vorläufig ins Wasser: „Richtig backen darfst du hier erst in ein paar Wochen. Bis dahin sind nur kleine Feuerchen erlaubt, die lassen den Lehm etwas schneller durchtrocknen. Wenn wir dem Ofen zu früh einheizen, wird er durch die hohen Temperaturen brüchig und rissig.“
Ich mache wohl ein Gesicht wie sieben Tage Tiefkühl-Pizza. Amber schaut sich mein Elend jedenfalls nur kurz an, hat dann doch noch so eine Idee: „Wir können ja eine Pizza auf dem normalen Grill zubereiten, das schmeckt auch ganz passabel.“ Ich antworte nicht, nicke nur stumm, ergebe mich schließlich in mein Schicksal. Und hole die Grillkohle aus dem Keller. Bis dahin gibt’s erstmal ein trockenes Stück Brot.
Text: Sascha Borrée | Fotos: Peter Holst